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Corona

Für einen konsequenten Lockdown – im Privaten, auf der Arbeit und in der Schule

Seit nunmehr einem Jahr wird unser tägliches Leben durch die Covid-19 Pandemie stark beeinflusst und offenbart dadurch, insbesondere in der Bildung, auf der Arbeit und in sozialen Aspekten, gravierende Mängel und Ungerechtigkeiten, auf die schon lange vor der Krise (oft vergeblich) hingewiesen wurden.

Die Ursache dieser vielschichtigen Probleme, die gerade jetzt wieder offensichtlicher denn je sind, ist das System in welchem wir leben, der Kapitalismus. Das kapitalistische System sorgt dafür, dass auch in dieser Krise nicht alle gleich betroffen sind, sondern vor allem die, die bereits im Alltag am wenigsten haben. Ein Entkommen vor dieser Krise gibt es also nur für die wenigen Kapitalist*innen, die genügend Kapital besitzen, um es jetzt auf dem Markt für ihre Profitmaximierung nutzen zu können, wie der Amazon-Chef Jeff Bezos oder die Schwarz-Gruppe. Dadurch bestimmen auch in der Covid19-Pandemie vor allem die Reichen die Spielregeln, während weite Teile der Gesellschaft unter den finanziellen und gesundheitlichen Folgen leiden müssen. Dazu kommt ein Staat, der diese Ungerechtigkeiten systematisch bestärkt und durch die aktuellen Maßnahmen noch befördert.

Dies zeigt sich durch staatlich angeordnete Covid-19 Maßnahmen, welche unser Privatleben beschränken, aber auch von uns fordern weiterhin mit unzähligen Menschen entweder zur Arbeit oder zur Schule zu gehen, anstatt unsere Gesundheit und Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen. Deutlich wird dies auch durch überforderte Lehrer*innen, Eltern, Schüler*innen, welche einerseits mit den auftretenden Problemen alleine gelassen werden und von denen andererseits Höchstleistungen eingefordert werden. Die Aussagen „Unterricht um jeden Preis“ und „so viel Unterricht wie möglich“ erweisen sich als fatal. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Menschenmassen in jedem Fall einen Hotspot für weitere Infektionen darstellen und die Schutzmaßnahmen für Schüler*innen und Lehrer*innen mehr als unzureichend für den Schutz der Gesundheit aller Beteiligten sind. Dauerhaftes Lüften im Winter, das Festhalten am Präsenzunterricht für Abschlussklassen, sowie das Durchsetzen des Sportunterrichts bergen hier große gesundheitliche Risiken. Dazu kommen die Langzeitfolgen der Erkrankung, die immer noch nicht vollständig erforscht sind, sodass mögliche Gefahren der Erkrankung heute noch gar nicht abzusehen sind.

Für uns stellt sich daher die Frage: Wenn nahezu das gesamte Leben stillstehen soll, wieso wird dann weiterhin am Leistungszwang in Schulen und der Arbeit festgehalten?

Auch hier liegt die Antwort auf die Frage im System. Das kapitalistische System funktioniert am effektivsten, wenn in der Pandemie Bildungsstätten so lange wie möglich offen bleiben, um die Arbeitsfähigkeit der Eltern und anderer Angehöriger zu erhalten. Nur so können weiter hohe Profite erwirtschaftet werden, auch wenn der menschliche Preis dafür hoch ist.

Alternativen im Bereich der Bildung könnten hier das Anbieten einer freiwilligen Wiederholung des Schuljahres oder ein Aussetzen des schon lange umstrittenen „Sitzenbleibens“ sein. Dies würde nicht nur den Schüler*innen zu Gute kommen, sondern auch die Lehrer*innen entlasten, welche momentan die undankbare Aufgabe haben, sich Hygienekonzepte auszudenken und umzusetzen, welche in Sachen Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu wünschen übrig lassen.

Die bestehende Idee des Onlineunterrichts scheint hier ein Lösungsansatz zu sein, jedoch wird auch vergessen, dass dies nur für privilegierte Haushalte und Personen möglich ist, dies umzusetzen. Nicht jede Person oder Familie kann sich einen oder mehrere dafür notwendige technische Geräte, wie Laptops, Kameras, Mikrofone, geschweige denn einen Internetanschluss leisten.

Die Annahme, dass technische Geräte Zuhause Standard sind, offenbart hier, dass die Verantwortlichen für diese Konzepte nur an Privilegierte gedacht haben.

Es fehlen Kitaplätze, Nachmittagsbetreuungen, angemessene Löhne für Arbeitende im sozialen Bereich und finanzielle Förderungen der Bildungseinrichtungen

Doch auch die Kinderbetreuung innerhalb der Krise ist für sehr viele Haushalte eine große Herausforderung und zeigt, dass durch das Sparen im Bildungs- und Sozialsektor immense Probleme entstanden sind. Es fehlen Kitaplätze, Nachmittagsbetreuungen, angemessene Löhne für Arbeitende im sozialen Bereich und finanzielle Förderungen der Bildungseinrichtungen. Das hätte unter anderem verhindert werden können, wäre die Digitalisierung an den Schulen in den vergangenen Jahren von der Politik mehr vorangetrieben worden. Der gesamte Bundeshaushalt stieg von 2019 zu 2020 um 6 Milliarden Euro. Interessant sind hier die Ausgaben:

Während diese im Bereich der Bildung um 0,1% anstiegen, bekamen Wirtschaft und der Energiesektor einen Zuschuss von 12,3%, im Bereich der Verteidigung lag dieser bei 4,3%. Wäre dies nicht der Fall, und es wäre anstatt dessen mehr Geld in die Bildung geflossen, könnten z.B. technische Hilfsmittel wie Laptops und andere materielle Dinge für Personen bereitgestellt werden, die sich sonst keine leisten können.

Es wird mit der Gesundheit der ohnehin schon gebeutelten Lohnabhängigen gespielt, nur um höhere Profite zu erzielen

Aber auch in den Betrieben und am Arbeitsplatz gibt es Mängel. Auf dem Weg zur Arbeit lauert ein großes Infektionsrisiko in den öffentlichen Verkehrsmitteln und letztendlich auch am Arbeitsplatz selbst. Insbesondere Großbetriebe und Konzerne sind hier wahrliche Hotspots wie das vergangen Jahr z.B. bei Amazon oder Tönnies gezeigt hat. Dadurch zeigt sich, dass einerseits die bestehenden Hygienevorschriften nur halbherzig umgesetzt werden und andererseits diese auch viel zu inkonsequent sind. So gilt eine Maskenpflicht nur dann, wenn im Betrieb Kundenverkehr herrscht oder die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Hier wird mit der Gesundheit der ohnehin schon gebeutelten Lohnabhängigen gespielt, nur um höhere Profite zu erzielen. Generell und insbesondere in einer Pandemie darf es keine finanziell profitierenden Menschen geben, denn der Reichtum des einen ist die Armut der Anderen. Ein besserer Schritt wäre es (unabhängig vom Arbeitsplatz) eine Maskenpflicht und konsequentere Hygienekonzepte durchzusetzen und diese auch zu kontrollieren, sowie bei Nichteinhaltung Strafen für die Geschäftsleitung oder Eigentümer*innen auszusprechen und die finanziellen „Gewinner*innen“ dieser Pandemie für diese zahlen zu lassen. Zudem sind Menschen in der Lohnarbeit leider aus Existenzgründen auf ihren Arbeitsplatz angewiesen, sodass es auch hier kein Entkommen aus dem kapitalistischen Hamsterrad gibt und ein unorganisiertes Auflehnen gegen die Verhältnisse mit einer Kündigung beantwortet wird, was wiederum einem existenziellen Todesurteil gleichkommt.

Schulen können genauso wie Arbeitsstätten oder andere Bildungsinstitutionen ein rettender Anker für Betroffene von häuslicher Gewalt, welche zu Pandemiezeiten um ein Vielfaches gestiegen ist, sein. Insbesondere Kinder und weibliche Personen sind hier stark gefährdet, sodass es immer wieder zu schrecklichen und grausamen Femiziden kommt, die erschreckender Weise weitestgehend unsichtbar bleiben bzw. nicht als solche benannt werden.  Falls Ihr oder andere Menschen in Eurem Umfeld unter besonders großen Druck von Zuhause und/oder häuslicher Gewalt leidet und Hilfe oder Ratschläge benötigt, möchten wir auf die ausgezeichnete Arbeit des feministischen 8. März Bündnisses hinweisen. In den folgenden Links am Ende des Textes findet Ihr Ratgeber und Anleitungen, um mit solchen Situationen umgehen zu können oder mögliche Hilfsansätze zu finden.

Wir möchten auch bemerken, dass wir kein perfektes Pandemie Konzept vorlegen können und müssen. Vielleicht gibt es das auch nicht. Und vielleicht kann es kein einheitliches Konzept geben, sondern nur individuelle Lösungen. Was aber feststeht: Es gibt bessere und schlechtere Konzepte und wir fordern eine Verbesserung des momentanen Zustands, da die aktuelle Lage so nicht funktionieren kann.

Deshalb rufen wir alle Betroffenen dieser Pandemie auf, sich zu organisieren und zusammenzuschließen. Es geht nicht darum, gegen etwas zu sein, sondern zusammen neue Ideen, Konzepte und Utopien, in denen endlich das menschliche Individuum und seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen, zu erarbeiten und zu erkämpfen!